Da wir uns immer noch in einem anthropozentrischen Weltbild bewegen, ist es unausweichlich geworden, dass wir das menschliche Verhalten mit den vielen Formen der Koexistenz auf diesem Planeten überdenken und neu gestalten. Wir sind miteinander verwoben; wir müssen nicht "zurück zur Natur" - Ausdrücke wie dieser zeigen nur, wie verzerrt unsere Sichtweise ist. Wir sind nicht getrennt - wir waren noch nie nicht Teil dieses Netzes. Was wir hingegen tun müssen, ist, uns dessen bewusst zu werden. Es gibt keinen passiven Hintergrund; jede Form der Existenz formt und beeinflusst die Realität, die wir erleben. Jeder Existenz wohnt eine Art von Lebendigkeit inne, unabhängig davon, ob ihr Einfluss beabsichtigt ist oder nicht. Oder, wie Bruno Latour es ausdrückt: Subjekt zu sein bedeutet nicht, in einem objektiven Rahmen autonom zu handeln, sondern seinen Einfluss mit anderen Subjekten zu teilen.
Eines dieser Subjekte sind die Gletscher. Da sie visuelle Klimathermometer sind, werden sie gewöhnlich aus dieser Perspektive dargestellt und besprochen. Dieses Projekt untersucht die vielfältigen Ausdrucksformen der Gletscher, die unterschiedlichen Formen und Farben, die sie annehmen, wie sie ihre Umgebung beeinflussen und wie sie sich mit ihr vermischen. Ich betrachte die Gletscher als lebende Wesen, als aktive Protagonisten im Netz der Realität. Gletscher werden aus der ständigen Metamorphose von Schnee zu Eis geboren. Sie sind einzigartig dynamisch, zähflüssig und spröde zugleich. Aus menschlicher Sicht können wir immer nur Ausschnitte von ihnen wahrnehmen; sie existieren in einer anderen Zeitdimension, die sich dem menschlichen Verständnis entzieht. Mit Bakterien und Algen auf ihrem Rücken bahnen sie sich ihren Weg talwärts.
2021 besuchte ich zwölf Schweizer Gletscher und baute eine Zeitraffer-Box, um die Dynamik des Fee-Gletschers zu dokumentieren.